zu zweit

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Samstag, 22. Oktober 2011

Ein Schweizer will Präsident von Argentinien werden

Hermes Binner: Kämpft gegen soziale Ungerechtigkeit.

Der reservierte und meist bedacht wirkende Mann ist „die große Überraschung“ vor den Präsidentschaftswahlen in Argentinien, wie lokale Medien titeln. Kandidat Hermes Binner, der sowohl Schweizer als auch Argentinier ist, wurde vor rund zwei Monaten von einem Tag auf den anderen landesweit bekannt: In einer Vorwahl zu den Präsidentschaftswahlen erzielte er den vierten Platz. Dies, mit einem unerwarteten Resultat, das ihn nur knapp hinter zwei politischen Schwergewichten positionierte. Seither steigt seine Popularität. Alle Umfrageinstitute sichern ihm nun den zweiten Platz in den Wahlen am Sonntag zu. Dass die amtierende Staatschefin Argentiniens, Cristina Fernández de Kirchner, in der ersten Runde wiedergewählt wird, darüber besteht kein Zweifel.

Erstmals in Argentinien waren letzten August die Landesbewohner dazu aufgerufen, für Vorwahlen an die Urnen zu gehen. Eine Wahlreform vom Jahr 2009 fordert neu, dass sich Präsidentschaftskandidaten erst mit einem minimalen Stimmenanteil von 1,5 Prozent für die eigentlichen Wahlen „qualifizieren“ sollen. Die Vorwahlen dienten außerdem dazu, innerhalb einer Partei den besten Anwärter fürs Rennen um das höchste Staatsamt zu bestimmen. Da aber alle Wahlbündnisse nur einen Kandidaten aufgestellt hatten, wurde der Urnengang zu einem repräsentativen Testlauf, der den Gewinner vom 23. Oktober bereits festlegte. Die 58-jährige Cristina erreichte hervorragende rund 50 Prozent der Stimmen. „Seither ist der Wahlkampf langweilig und die kommende Wahl nur noch ein administratives Verfahren“, sagt der argentinische Politanalytiker Jerónimo Biderman Núñez.

Spannend blieb nur Binner, der in der Vorwahl rund zehn Prozent der Stimmen erzielt hatte. Wer ist dieser Mann?, fragten sich viele. Binners Großeltern waren Ende 19. Jahrhunderts vom Oberwallis nach Argentinien in die Provinz Santa Fe ausgewandert. In Rafaela, einer Stadt, die von Schweizern, Deutschen und Italienern aufgebaut wurde, kam Binner 1943 zur Welt. Bis heute hat er sein Bürgerrecht der Walliser Gemeinde Bürchen behalten.

Leise, aber stetig arbeitete sich Binner in den vergangenen Jahren in der von Buenos Aires nördlich gelegenen Provinz Santa Fe zu einem angesehenen Politiker hoch. Ehrlich, fleißig und korrekt sei er, sein Regierungsstil transparent. Das ist eher ungewöhnlich für südamerikanische Politiker und wird gerne auf seine helvetischen Wurzeln zurückgeführt. Der studierte Arzt politisiert seit über zwanzig Jahren in der Sozialistischen Partei, war bereits zweimal Bürgermeister der Provinzhauptstadt Rosario, dann Abgeordneter im Kongress. Seit 2007 ist er Gouverneur von Santa Fe - der erste Sozialist in der Geschichte Argentiniens der diesen Posten belegt.

Binners sozialdemokratisch ausgerichtete Politik will Gesundheits- und Bildungswesen ausweiten sowie die Armut und Korruption bekämpfen. Weiter möchte er Argentinien, das von der Hauptstadt Buenos Aires dominiert wird, dezentralisieren. „Wir sind die einzige wahre Alternative zur Regierung“, so der 68-Jährige.

Die Zeit der Präsidentschaftskandidaten Eduardo Duhalde und Ricardo Alfonsín hingegen scheint mit diesen Wahlen vorbei zu sein. Der linksliberale Alfonsín eifert allzu sehr seinem verstorbenen Vater und früheren Präsidenten Raúl Alfonsín (1983-1989) nach. Und Duhalde überzeugte zwar nach der Wirtschaftskrise 2001 als Übergangspräsident (2002-2003). Heute jedoch wird er als „etwas Altes“ bezeichnet. Vor ein paar Tagen hat er sich gegen die Abtreibung und die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen.

Oktober 2010 verstarb unerwartet Cristinas Gatte und Argentiniens Ex-Präsident Néstor Kirchner (2003-2007) an einem Herzinfarkt. Daraufhin erlebte die trauernde Witwe einen Beliebtheits-Aufschwung. Der breite Zuspruch in der Bevölkerung hat aber ebenso damit zu tun, dass es den Argentiniern seit der Machtübernahme der Kirchners wirtschaftlich besser geht. Dank hoher internationaler Preise für Agrargüter und Rohstoffe verzeichnet das südamerikanische Land jährlich einen Wirtschaftswachstum zwischen sieben und neun Prozent. Sozialprogramme haben außerdem ärmeren Menschen etwa ihre Haushaltskasse aufgebessert und deren Kindern den Zugang zu Bildung gesichert. Nach der letzten Umfrage wird die kokette Staatsfrau mit rund 53 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Und Binner? Die Wahlexperten prognostizieren ihm ein gutes Resultat zwischen 15 und 20 Prozent.

Dieses Mal wird der Sozialist nicht siegen. Wie sieht es aber in den Präsidentschaftswahlen 2015 aus? „Ist möglich“, sagt Biderman Núñez. Allerdings nur, wenn der Schweizer Allianzen mit Politikern aus der populären Peronistenpartei bilde. Der größte Teil der Wähler komme nun mal aus diesem Lager.

Ein Problem gibt es noch: Die Argentinier mögen extrovertierte und charismatische Präsidenten, die mitreißende Reden halten. Etwas, was Binner nicht ist. Aber mit ein bisschen Image-Pflege könnte man bestimmt noch nachhelfen. (Camilla Landbø)

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