zu zweit

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Sonntag, 17. Juli 2011

Späte Sühne für ermordete Studentin

Argentinische Militärs erschossen die Deutsche Elisabeth Käsemann.

Sie haben im geheimen Gefangenenlager «El Vesubio» gequält, gefoltert, gemordet. Am letzten Donnerstag sind in Buenos Aires zwei Ex-Militärs und fünf ehemalige Gefängniswärter für ihre Vergehen in den 70er-Jahren zu Haftstrafen von 18 Jahren bis lebenslänglich verurteilt worden. Ein achter Angeklagter – nach Zeugenaussagen der sadistischste – musste sich die Urteilsverkündung nicht anhören. Der 76-jährige Pedro Alberto Durán Sáenz, der einstige Chef des Folterzentrums, erlag im Juni einem chronischen Lungenleiden. Der Hauptverantwortliche für die Ermordung von Elisabeth Käsemann im Jahr 1977 starb damit ohne Strafe und in Freiheit.

Die Studentin stammte aus Tübingen und war die Tochter des bekannten evangelischen Theologen Ernst Käsemann. Sie studierte an der Universität in Berlin Soziologie. Ende 1968 reiste sie für ein Praktikum nach Bolivien. Die sozialen Missstände bewegten sie sehr und sie entschied, in Südamerika zu bleiben und gegen Armut und Ungerechtigkeit zu kämpfen.

Seit 1971 lebte Käsemann in Buenos Aires und engagierte sich sozial in verschiedenen Armenvierteln. Als 1976 die Militärs in Argentinien putschten und Menschen zum Verschwinden brachten, schloss sich die Deutsche dem Widerstand an. Sie half den politisch Verfolgten, indem sie ihnen falsche Papiere zur Ausreise besorgte. Die Militärs hatten sie im Visier: Anfang März 1977 wurde sie in Buenos Aires von den Uniformierten entführt.

Während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 wurden mutmaßliche Regimegegner und Andersdenkende zu Tausenden verhaftet und in Geheimgefängnisse verschleppt. Ein paar hundert solcher Folterzentren sollen landesweit existiert haben. Das El Vesubio befand sich in der Nähe des internationalen Flughafens in Ezeiza, unweit der Metropole Buenos Aires. Hier wurde auch die damals 30-jährige Elisabeth Käsemann zum letzten Mal lebend gesehen.

Am 24. Mai 1977 wurde Käsemann mit anderen Gefangenen in der Nähe der Ortschaft Monte Grande in der Provinz Buenos Aires erschossen. Die Militärjunta informierte zwei Tage später, dass 16 Guerillakämpfer bei einem Feuergefecht mit dem Militär gefallen seien. Elisabeths Vater glaubte dies nicht und ließ nach der Überführung des Leichnams nach Deutschland eine weitere Obduktion vornehmen. Das Resultat: Vier Schüsse von hinten aus unmittelbarer Nähe, typische Merkmale einer Exekution.
Um die 100 Deutsche oder Deutschstämmige wurden in Argentinien ermordet. Die damalige deutsche Regierung soll sich kaum um ihre Staatsbürger bemüht haben. Andere westliche Regierungen wie Frankreich oder die USA hatten politischen Druck ausgeübt und auf diese Weise ihre Landsleute gerettet. Deutschland hingegen zog es vor, die wirtschaftlich interessante Beziehung zu Argentinien nicht zu trüben.

Dies änderte sich mit der Zeit: Ab 1999 wurde im Fall Käsemann von Deutschland aus intensiv ermittelt. Das Amtsgericht Nürnberg erließ sogar 2002 und 2003 internationale Haftbefehle gegen Militärs, unter anderem gegen den ehemaligen Junta-General Jorge Videla und gegen Durán Sáenz. Argentinien lehnte ab, die Prozesse sollten im eigenen Land geführt werden. Seit 2005, seit Aufhebung der Amnestiegesetze, die die Militärs vor Gerichtsverfahren geschützt hatten, werden in Argentinien zahlreiche Prozesse gegen Verbrecher der letzten Diktatur geführt.

Im El-Vesubio-Prozess trat Deutschland als erstes europäisches Land als Nebenkläger auf. Die Bundesregierung begrüßte das Urteil der argentinischen Justiz. Dies sei eine Stärkung des Rechts und ein ermutigendes Zeichen für den Respekt vor den Menschenrechten in Argentinien und anderswo, sagte ein Sprecher des Aussenministeriums am Freitag in Berlin. Da nun Recht gesprochen worden sei, betrachte die Regierung ihr Engagement in diesem Fall als Erfolg. (Camilla Landbø)

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