zu zweit

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Freitag, 20. Mai 2011

Erschoss sich Salvador Allende oder half jemand nach?

Der eloquente Staatschef Salvador Allende.

Nach über zwanzig Jahren wird diesen Montag in Chile der Sarg mit den sterblichen Überresten des ehemaligen Präsidenten Salvador Allende zum zweiten Mal ausgegraben. Dieses Mal sollen die Umstände über seinen Tod definitiv geklärt werden. Best ausgebildete Gerichtsmediziner werden die Leiche untersuchen und die Ergebnisse mit den Arztberichten der ersten Autopsie und den Zeugenaussagen aus dem Jahr 1973 vergleichen.

Als der Sargdeckel im Auftrag der Regierung 1990 zum ersten Mal geöffnet wurde, war Allende-Freund und Arzt Arturo Jirón anwesend. Er bestätigte, die Leiche im Sarg sei der frühere Präsident und die Todesursache Selbstmord. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten es nicht einmal die Familienangehörigen mit Sicherheit gewusst. Denn am Tag von Allendes Tod war seine Leiche von Militärärzten untersucht, darauf in einem versiegelten Sarg anyonym auf einem Friedhof beigesetzt worden.

Salvador Allende wurde 1970 zum Präsidenten Chiles gewählt. Der Arzt und bekennende Sozialist war für viele Landesbewohner – Linke, Arbeiter, Arme – ein Hoffnungsträger. Er führte Verstaatlichungen, Preiskontrollen und eine Landreform durch, von welcher auch die indigene Bevölkerung profitierte. Allende glaubte an eine Revolution auf demokratischem Weg, ohne Gewalt und im Rahmen der Gesetze. Die Rechte hasste ihn und wünschte seinen Sturz herbei. Am 11. September 1973 fuhren in der Hauptstadt Santiago de Chile Panzer auf und von der Luft aus bombadierten Flugzeuge den Präsidentenpalast La Moneda. Die Militärs putschten unter der Führung von General Augusto Pinochet den Präsidenten. Allende fand man tot in seinem Büro – erschossen.

11. September 1973: Der Präsidentenpalast in Santiago wird bombadiert.

Bis heute kursieren verschiedene Versionen, wie der Sozialist gestorben sein soll. Die eine hält fest, dass die Militärs Allende umgebracht haben. Die offizielle Version ist allerdings die Selbstmordthese. Diese stützt sich unter anderem auf die Aussage des Arztes Patricio Guijón, der zum Präsidentenstab gehörte und bereits 1973 aussagte, er sei beim Suizid des Staatschefs dabei gewesen. Sitzend auf einem Sofa solle Allende die Maschinenpistole mit den Knien festgehalten und deren Lauf unter dem Kinn angesetzt haben. „Und ich sah, wie der Schädel zersplitterte“, beschrieb Guijón.

Die meisten Chilenen zweifeln kaum daran, dass Allende Selbstmord begangen hat. Auch die Familienangehörigen vertrauen den Schilderungen des Arztes Guijón. Isabel Allende, die Tochter des verstorbenen Staatschefs, begründet es damit, ihr Vater habe immer gesagt, er werde bei einer gewaltsamen Machtübernahme den Präsidentenpalast nicht lebend verlassen. Auch Zeitzeugen berichten, Allende habe am Tag des Putsches angekündigt, sich das Leben zu nehmen.

Nichtsdestotrotz haben die Familienangehörigen Mitte April von der chilenischen Justiz verlangt, die Leiche zu exhumieren. Sie beantragten es, nachdem im Januar ein Gericht entschieden hatte, Allendes Tod genau zu untersuchen. Sein Fall gehört zu einer Sammelklage, die 726 Morde während der Pinochet-Diktatur (1973-1990) aufklären soll.

Stutzig macht: 2008 verkündete Luis Ravanal der Schädel von Allende weise Schussverletzungen auf, die von zwei verschiedenen Waffen stammten. Der Gerichtsmediziner kam auf dieses Ergebnis, nachdem er die Berichte seiner Vorgänger minutiös studiert hatte.

Interessantes berichtete letzten Februar ebenso Eduardo Labarca: In einem Zeitungskommentar bemerkte der chilenische Journalist und Autor einer Biografie von Salvador Allende, er habe 2007 mit vier ehemaligen engsten Mitarbeiter des Präsidenten, darunter auch Jirón, Interviews geführt. Jeder von ihnen habe letztendlich eingeräumt, gesehen zu haben, wie sich Allende erschossen hatte. Warum trat in all den Jahren nur Guijón als Zeuge an die Öffentlichkeit?

Zeitzeugen berichten, Allende habe am Tag des Putsches einen der anwesenden Ärzte inständig darum gebeten, er solle ihm eine Kugel verpassen, wenn er verletzt überlebe. Unterdessen macht eine neue Version die Runde, jene des assistierten Suizids. Überlebte etwa Allende den Selbstmord schwer verletzt? Gab ihm einer seiner Mitstreiter mit einer anderen Waffe den Gnadenschuss? Existiert ein Schweigepakt? Es sind viele offene Fragen, vielleicht werden sie bald beantwortet.  (Camilla Landbö)

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