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Dienstag, 31. Mai 2011

Chilenen wollen Mega-Staudammprojekt nicht

"Patagonien ohne Wasserwerk": Proteste in Chiles Straßen.
Die Proteste nehmen nicht ab: Am Samstag gingen in der Hauptstadt Santiago de Chile rund 13.000 Menschen auf die Straße, um gegen den Bau von Wasserwerken in Chile zu demonstrieren. Dieses Mal verlief die Manifestation zugehend friedvoll. In den vergangenen Wochen war es bereits mehrmals in zahlreichen chilenischen Städten zu Massenproteste gekommen. Dabei gingen Polizisten mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Tränengas gegen die Protestierenden vor und verhafteten landesweit über hundert Personen.

Chile sieht im Süden des Landes den Bau von fünf Staudämmen vor. Das Megaprojekt HydroAysén in Patagonien ist mitten in einem der größten Naturschutzgebiete der Welt geplant. In der Region Aysén sollen zwei Flüsse gestaut und 5900 Hektar Land geflutet werden, um Strom zu erzeugen. Damit soll allerdings nicht der Süden versorgt werden, sondern vor allem die Metropole Santiago. Für den Transport der Energie sind kilometerlange Hochspannleitungen unter anderem durch Nationalparks und Reservate vorgesehen. Die Wasserwerke sollen Strom von insgesamt 2750 Megawatt generieren.

Der Bau der Staudämme wurde am 9. Mai von einer Umweltkommission in Aysén genehmigt. Drei Jahre lang hatte diese über das Projekt beraten und Umweltschützer und Bewohner aus der Region gegen das Vorhaben aufgebracht. Jetzt fehlt nur noch die Genehmigung für den Bau der Riesenstromleitungen. Das nötige Verfahren dazu will Chiles Staatschef Sebastián Piñera nun zügig voranbringen.

Nicht nur Umweltschützer, auch Politiker aus allen Parteien, Studenten, Gewerkschafter oder Unternehmer sind gegen die Wasserwerke. In einer Umfrage von April sprachen sich rund 61 Prozent der Chilenen gegen HydroAysén aus. Ein Grund, warum sich jetzt die Bevölkerung durch den Kommissionsentscheid übergangen und bevormundet fühlt. Große unberührte und einzigartige Landschaften würden zerstört, so die Gegner, und alternative Konzepte der Energieerzeugungen gar nicht erst in Betracht gezogen. Der wachsende Strombedarf könne man auch mit Wind- oder Sonnenenergie decken.

Ebenso die katholischen Bischöfe meldeten sich in einem Schreiben zu Wort und stellten sich klar gegen das Vorhaben. „Die Entscheidung für den Bau basiert alleine auf wirtschaftlichem Interesse, das ist ethisch inakzeptable und bedauerlich, das Volk wird verhöhnt.“ Der Fortschritt eines Landes könne nicht auf Kosten der Umwelt vorangetrieben werden. Die Bischöfe verlangen von der Regierung, über solche Großprojekte im Dialog mit der Bevölkerung zu entschieden.

Piñera dagegen verteidigt das Projekt. Die Energieproduktion müsse in den kommenden Jahren verdoppelt werden, um mit dem Wirtschaftswachstum des Landes Schritt halten zu können. Die Beliebtheit des Staatschefs ist in den vergangenen Wochen gesunken. Besonders eine familiäre Verbindung wirft Schatten auf seine Person: Sein Schwager ist der Geschäftsleiter des chilenischen Unternehmens Colbún, welches das Milliardenprojekt HydroAysén mit der spanisch-italienischen Firma Endesa-Enel bauen soll.

Brasilien plant ebenfalls ein Wasserkraftwerk, das das drittgrößte weltweit werden soll. Der Bau von Belo Monte im Amazonas würde die Lebensgrundlage vieler indigenen Völker zerstören. Zehntausende Menschen müssten umgesiedelt und mehr als 500 Quadratkilometer unter Wasser gesetzt werden.

Das größte Wasserkraft der Erde, der Drei-Schluchten-Damm in China, zeigt fünf Jahren nach seiner Fertigstellung auf, was für Probleme ein solches Megaprojekt mit sich bringen kann. Unerwartet häufige Erdrutsche bedrohen derweil Bewohner in der Umgebung, weil wechselnder Wasserstand die Ufer aufweicht. Die Regierung räumte vor rund zwei Wochen ein, dass der Damm das ökologische Gleichgewicht wahrscheinlicherweise durcheinandergebracht habe.

Wie weiter in Chile? Die Proteste werden anhalten, die Chilenen wollen das HydroAysén-Projekt nicht. Vergangene Woche stimmten außerdem die chilenischen Abgeordneten einer Untersuchungskommission zu, die das Genehmigungsverfahren für die Staudämme wegen möglicher Unregeläßigkeiten genau unter die Lupe nehmen soll. (Camilla Landbø)

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