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Freitag, 22. April 2011

Mehrere Missbrauchsfälle erschüttern Chilenen

Ex-Priester Fernando Karadima - über Jahre vergriff er sich an jungen Männern.

Die katholische Kirche in Chile erlebt derzeit besonders schwierige Momente. Mehrere bekanntgewordene Missbrauchsfälle in ihrem Umfeld haben nicht nur die chilenische Gesellschaft erschüttert, sondern auch den Klerus gespalten. Vor zwei Wochen haben sich die Bischöfe erstmals offiziell für die sexuellen Übergriffe von Geistlichen und für ihr Verhalten gegenüber Opfern entschuldigt. „Wir erkennen an, auf Anzeigen nicht immer mit der geboteten Sorgfalt und Effizienz reagiert zu haben“, hieß es im Schreiben der chilenischen Bischofskonferenz.

Die jahrelangen sexuellen Übergriffe an jungen Männern durch den Priester Fernando Karadima ist der emblematischste Fall. Der heute 80-Jährige bereitete seit den 50er Jahren bis 2006 in einem der exklusiven Viertel im Großraum der Hauptstadt Santiago Jugendliche auf ihr religiöses Leben vor. April 2010 wurden Anzeigen von vier Opfern gegen den ehemaligen Pfarrer der Kirche Sagrado Corazón de Jesus in den Medien publik. Seither bearbeitet nicht nur die chilenische Justiz den Fall, auch der Vatikan beschäftigte sich damit.

Januar 2011 wurde das Urteil aus Rom verkündet: Karadima ist schuldig des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und Erwachsenen sowie seiner Autorität. Gleich danach verkündete Chiles Präsident Sebastián Pinera, seine Regierung werde Kinder und Minderjährige vor sexuellen Missbrauch schützen, mit aller Gesetzesstrenge. Und die Bischöfe bezogen sich darauf im jüngsten Schreiben: „Das Urteil des Vatikans ermutigt uns, den Weg der Transparenz, der Wahrheit und der Gerechtigkeit durchzuhalten.“ Der Heilige Stuhl schickte den herzkranken Karadima in Chile in ein Kloster, wo er in Gebeten und Reue zurückgezogen leben soll.

Nachdem der erste Richter den Fall wegen Verjährung Ende 2010 als abgeschlossen ansah, ernannte das chilenische Oberste Gericht vor rund einem Monat eine neue zuständige Richterin. Jessica Gonzalez sucht nun unverjährte Missbrauchsfälle und schließt nicht aus, bei ihren Ermittlungen Bischöfe und andere Geistliche vorzuladen. Opfer nannten in ihren Aussagen unter anderem Bischöfe, die von den Übergriffen gewusst und nichts unternommen hätten. In einem Interview in einer chilenische Zeitung bat der frühere Erzbischof von Santiago Francisco Javier Errazuriz letzten Sonntag die Opfer deswegen um Entschuldigung.

Tiefe Betroffenheit wegen neuer Missbrauchs-Fälle: Eine ehemalige Schülerin eines Ursulinenklosters in der Metropole Santiago sagte vor rund drei Wochen aus, Isabel Margarita Lago Droguett, Madre Paula genannt, habe sie in den 80er Jahren unsittlich angefasst. Unterdessen liegen bereits drei Anzeigen gegen die ehemalige Oberin der Kongregation der Ursulinen vor. Nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, schickte der Vatikan die Schwester nach Deutschland in ein Kloster.
Im Ursulinenkloster: Madre Paula berührte Schülerinnen unsittlich.
Die Kirche ist sehr besorgt über den Vertrauensverlust in der chilenischen Bevölkerung. Weihbischof von Santiago Cristián Contreras räumte Ende März ein, die katholische Kirche sei in einer Krise. „Viele Chilenen glauben unseren Medienmitteilungen nicht mehr.“ Resultate des Umfrageinstituts CERC bestätigen dies: Wegen weltweiter Missbrauchsfälle im katholischen Umfeld sank in Chile von 2009 bis 2010 das Vertrauen gegenüber der Kirche von 53 auf 34 Prozent. Ergebnisse der jüngsten Umfrage werden noch erwartet. CERC-Direktor Carlos Huneeus geht davon aus, dass sich wegen der Karadima-Fälle die Chilenen noch mehr von der Kirche distanziert haben.

Chile kommt nicht zur Ruhe: Vor rund zwei Wochen sind außerdem neue sexuelle Übergriffe in der deutschen Siedlung Colonia Dignidad bekannt geworden. Diesmal handelt es sich um drei erwachsene Frauen, die von einem der Siedlungsverantwortlichen mehrmals vergewaltigt wurden. Colonia Dignidad im Süden Chiles ist Anfang der 60er Jahre vom Deutschen Paul Schäfer gegründet worden, der sie fast drei Jahrzehnte lang geleitet hatte. In der sektenähnlichen Siedlung kam es zu zahlreichen sexuellen Übergriffen, auch an Minderjährigen, zu Folter und Mord. Der 88-jährige Schäfer starb 2010 in einem Gefängnis in Chile, er saß eine 33-jährige Strafe ab.
(Camilla Landbø)

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