zu zweit

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Montag, 4. April 2011

Linksrutsch oder liberales Modell?

Ex-Militär Ollanta Humala schafft es nach den letzten Umfragen in die Stichwahl. Er propagiert einen linken Nationalismus.

Ollanta Humala will multinationale Konzerne höher besteuern.

Der Wahlkampf für die peruanischen Präsidentschaftswahlen am 10. April ist so spannungsreich wie noch nie. Im Verlauf der letzten zwölf Monate kletterten die Kandidaten in Umfragen die Beliebtheitsskala hoch und runter. Vergangene Woche drängelte sich Ollanta Humala auf den ersten Platz. Sicher ist nur, dass von den zehn Präsidentschaftskandidaten fünf zu den Favoriten gehören und keiner von ihnen im ersten Durchlauf die notwendigen Stimmen erreichen wird. Es kommt zu einer Stichwahl am 5. Juni, sagen die politischen Analysten.

Im Rennen um die Präsidentschaft geben die Kandidaten alles. Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa spricht genervt von einem „clownesken Turnier“. Ideologische Debatten seien kaum gehalten worden, dagegen alle möglichen Show-Einlagen um die Gunst des Wählers. In der Tat tanzen, singen und kochen die Kandidaten seit Wochen in Fernsehsendungen, lassen die Zuschauer in ihre Zuhause blicken und beweisen sich gegenseitig mit Haarproben, dass sie ein drogenfreies Leben führen.

Peru ist ein wirtschaftlich aufstrebendes Land und gilt unter privaten Investoren als eines der viel versprechendsten in Südamerika. Das liberale Wirtschaftsmodell hat in den vergangenen Jahren dem an Bodenschätze reichen Land viel Geld eingebracht. Aber: Die indigene und arme Bevölkerung hat davon bisher wenig gesehen. Die Armut ist zwar nach offiziellen Zahlen innerhalb von zehn Jahren zurückgegangen, aber über ein Drittel der rund dreißig Millionen Peruaner leben nach wie vor unter der Armutsgrenze. Waren es bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2006 vor allem die Stabilisierung der Demokratie und Wirtschaft die Hauptthemen der Kampagnen, sind es diesmal die sozialen wie Bildung, Gesundheit, die Bekämpfung des Drogenhandels und der Armut.

Gut für Alejandro Toledo – seine Erfolgsgeschichte ist für den Stimmenfang ideal. Mit 15 Geschwistern wuchs er in einer ärmlichen Behausung auf, ohne fließendes Trinkwasser. Um seine Eltern finanziell zu unterstützen, putzte er als Kind in den Straßen die Schuhe anderer. Dann die Wende: Toledo gewann ein Stipendium und studierte Wirtschaft an renommierten Universitäten in den USA. Nach seiner Rückkehr wählten die Peruaner den Mann mit den indigenen Gesichtszügen zu ihrem Präsidenten (2001-2006). Für seine diesjährige Wahlkampagne ist Toledo mit einem gelbgrünen Bus durch Peru gekurvt und hat den Bedürftigen etwa die Umverteilung des Reichtums versichert. Die Menschen in den Armenvierteln nennen ihn „einer von uns“ und wollen ihm trotz Korruptionsskandale während seiner ersten Präsidentschaft eine zweite Chance geben. Auch wenn der Befürworter der Homo-Ehe und des Schwangerschaftsabbruchs in den letzten Umfragen auf Platz zwei gerutscht ist (rund 20 Prozent), gilt er immer noch als einer der aussichtsreichsten Kandidaten.

An die Spitze gerückt ist mit rund 28 Prozent der Ex-Militär der peruanischen Armee Ollanta Humala – der einzige linksgerichtete Kandidat. Im Jahr 2000 wirkte er unter dem Kommando seines älteren Bruders an einer Meuterei in der Armee gegen den damaligen diktatorischen Präsidenten Alberto Fujimori (1990-2000) mit. Dies verschaffte ihm viel Zuspruch in der Bevölkerung. Der Mestize, der einen linken Nationalismus propagiert, verspricht etwa die multinationalen Konzerne höher zu besteuern. Die anderen Kandidaten hingegen haben angekündigt, das derzeitige liberale Wirtschaftsmodell fortzuführen. Der 48-jährige Humala vertritt die Interessen der indigenen Bevölkerung und ist zum Liebling der katholischen Kirche mutiert: Er hat sich klar gegen die Homo-Ehe ausgesprochen. Deswegen gingen ihm bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2006 einige Stimmen in der linken Wählerschaft verloren. Er erlag in der Stichwahl dem amtierenden Staatschef Alan García. Seine Mutter unterstützte Humala damals wortkräftig: „Homosexuelle sollten erschossen werden.“

Als einzige Frau unter den Favoriten findet sich die japanisch stämmige Keiko Fujimori. Die Tochter des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori, der 2009 wegen Menschenrechtsverletzungen zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde, belegt derzeit mit rund 19 Prozent Platz drei in den Umfragen. Ihre Parlamentsliste ist gespickt mit ehemaligen Mitstreitern und Ministern ihres Vaters, die die Straftaten gedeckt haben oder darin verstrickt waren. Unter der Herrschaft von Alberto Fujimori starben tausende unschuldige Menschen. Er war Auftragsgeber einer Todesschwadrone, die nicht nur gegen die Guerilla im Land vorging. Experten zufolge ist es mehr als klar, dass die 36-jährige Keiko mit ihrer Wahl ihren Vater aus dem Gefängnis befreien will.

Auf Platz vier liegt Pedro Paul Kuczynski (rund 18%), der wegen seines schier unaussprechbaren Namen einfach PPK genannt wird. PPK war mehrmals Minister in Peru, Direktor verschiedener Großbanken in den USA und ist US-Staatsbürger - etwas, was die Peruaner eher befremdet. Der Doppelbürger verspricht zwar den Wählern die US-Staatsbürgerschaft aufzugeben, bisher habe er aber noch keine Zeit gehabt, die entsprechenden Formulare auszufüllen, so PPK. Und an letzter Stelle der Topfavoriten ist Limas neoliberaler Ex-Bürgermeister Luis Castañeda (14%), der in den letzten Umfragen zurückgefallen ist. Momentan ist er in mehrere Korruptionsskandale in Lima verstrickt.

Nicht viele Prozente also liegen jeweils zwischen den ersten fünf Kandidaten. Experten zufolge hat Ollanta Humala gute Chancen in die Stichwahl zu kommen, aber weniger gute Präsident zu werden. Viele in Peru empfinden den Ex-Militär als zu autoritär. Letztendlich könnten alle fünf Favoriten die erste Runde schaffen, sagen die Analytiker, der peruanische Wähler sei unberechenbar. Erfahrungsgemäss würden sich 40 Prozent der Stimmbürger erst in der letzten Woche vor dem Urnengang entscheiden, 15 Prozent am Wahltag selber. (Camilla Landbø)

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